Saal 1
Landschaft ist mehr als Natur
Der Maler Philipp Otto Runge proklamierte 1802: „es drängt sich alles zur Landschaft“. Die Landschaftsmalerei entwickelte sich im 19. Jahrhundert zu einer der wichtigsten Gattungen der Kunst. In ihr spiegeln sich Vielfalt und Spannungsreichtum der gesamten Epoche. Vorausgegangen war das Gefühl einer Entfremdung zwischen Mensch und Natur.
Zivilisation, Industrialisierung und die Entwicklung der Wissenschaften hatten die Wahrnehmung von Natur stark verändert. Das Landschaftserlebnis erfolgte jetzt aus der Distanz eines Betrachters, der sich selbst erstmals als Teil einer geschichtlichen Entwicklung begriff. Erst aus diesem Blickwinkel heraus konnte sich die Landschaftsmalerei als eigenständige Bildgattung etablieren. Landschaftsbilder wurden zum Ausdrucksmittel für Sehnsüchte, Hoffnungen und Befürchtungen. Dabei erfuhren ihre Formulierungen tiefgreifende Veränderungen. Landschaft diente nicht mehr nur als Kulisse für Heldentaten oder historische Ereignisse. Die unterschiedlichen Typen von Landschaftsbildern konnten Ehrfurcht vor den Naturgewalten vermitteln oder geologische Besonderheiten zeigen. In Veduten kam es auf die topografische Genauigkeit der Landschaftswiedergabe an. Die Romantiker entdeckten die Landschaft als Sinnbild für das menschliche Dasein und schufen Entsprechungen zwischen Gemütsstimmungen und Naturzuständen.
Ihre Bilder spiegeln auch die Enttäuschung einer jungen Generation, die sich nach der Französischen Revolution politische Veränderungen in Deutschland erhofft hatte. Ab Mitte des Jahrhunderts traten symbolische Bedeutungen immer mehr in den Hintergrund. Jetzt wurde die Natur malerisch erforscht, in ihren geografischen Bedingungen und in der Wechselwirkung mit Lichtverhältnissen und Jahreszeiten. Nicht mehr das Besondere einer Landschaft, sondern das Alltägliche stand im Vordergrund.